Warum wir verlernen zu kommunizieren II: Körpersprache + verbale Sprache
Wir haben soziale Verhaltensweisen entwickelt, um uns in unserem Hordenverband nicht nur Vorteile zu verschaffen, sondern um uns zu orientieren, um uns wohlzufühlen. Dann haben wir uns Stück für Stück mit Hilfe der Technik (die Technik ist eben älter als die komplizierte Form der Kultur) die Chance erarbeitet, Zeit zu haben, mit der Zeit kam die Langeweile und mit der Langeweile hat man Zivilisation, Kultur, Malerei, Bildhauerei, Musik, Tanz, Poesie, Mathematik, Philosophie und das Nachdenken über sich selbst, Kommunikation und vor allem Sprache erfunden. Bevor es Sprache gab, haben wir also mit Körpersprache kommuniziert. Warum hat das funktioniert?
Die Körpersprache kommt tief aus dem Innern. Der Körper hat Wünsche, die an Grundbedürfnissen angelegt sind. Und er bringt seine Wünsche zum Ausdruck, die entweder als Aktion oder Reaktion zur Geltung kommen. Das heißt, man geht seinen inneren Absichten nach oder man reagiert auf äußere Reize. Dagegen ist die gesprochene Sprache etwas sehr Junges! Sie gibt es, gemessen an dem menschlichen Zeitalter, noch gar nicht so lange. Und trotzdem wird sie überbewertet. Das hat einen einfachen Grund: Das meiste Wissen über Körpersprache ist aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden. Die Entwicklung von Sprache und die Erfindung der Schrift haben es ermöglicht, Informationen sozusagen körperlos weiterzugeben. Wir können heute noch lesen, was Menschen vor 3.000 Jahren gedacht haben. Das ist ein enormer kultureller Fortschritt. Auch haben wir heute durch Zeitungen, E-Mails oder Facebook-Einträge mannigfaltige Möglichkeiten, Informationen aufzunehmen, ohne dass ein Mensch unmittelbar zu uns spricht. Auch hier ist die Versuchung also groß, dem Körperlichen keine tiefere Bedeutung mehr beizumessen.
Die gesprochene Sprache ist entstanden – dazu gibt es zahlreiche Theorien –, als wir Menschen angefangen haben, vom Ackerbau zu leben. Vorher war Sprache für uns nicht relevant, weil sie eher hinderlich war. Unsere Vorfahren, die in einer feindlichen Umgebung davon lebten, Tiere zu jagen und nicht von Tieren gejagt zu werden, verhielten sich am besten lautlos, mit anderen Worten, sie verständigten sich über Körpersprache, um zu überleben. Denn jedes Geräusch hätte jederzeit den Tod bedeuten können. Nun hat Ackerbau aber vorausgesetzt, dass beide Hände im Boden graben mussten. Folglich galt es, einen anderen Weg zu finden, auf dem man kommunizieren konnte. Die Lautsprache ist vermutlich als Begleitmusik zur gestischen Sprache entstanden und hat sich im Ackerbau dann immer weiter ausdifferenziert. Je mehr unterschiedliche Interessen und Absichten unsere Vorfahren entwickelten, umso kooperativer scheinen sie geworden zu sein und die Ausbildung einer komplexen Sprache dürfte in der Entwicklung des Menschen eng mit den Erfordernissen des Sozialverhaltens in der Gruppe oder Horde verbunden sein. Von einem bestimmten Punkt an regelte die verbale Sprache jenes komplizierte Spiel, indem sie bestimmte Typen von Botschaften festlegte.
Durch die Erfindung der Sprache gab es einen erheblichen Schub für die intellektuellen Fähigkeiten der damals lebenden Menschen. Mit der Sprechfähigkeit, die unsere Vorfahren entwickelten, wurden wir Menschen zunehmend zu rationalen Lebewesen, welche nun die Fähigkeit besaßen, alles, was sie dachten und fühlten, durch Worte auszudrücken, die allerdings nie ganz die Realität wiedergeben konnten. Durch das sprachliche Denken erkannten sie mehr Möglichkeiten in der Welt, die sie umgab, und sie konnten sie anderen mitteilen und auf sie reagieren. Doch gleichzeitig entstand ein Problem: Mit der Zeit verloren wir unsere Flexibilität und wurden in unserem Denken abhängig von der Sprache. Mehr noch: Wir verloren die Verbindung zu unseren Sinnen: Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen, die einst eine wesentliche Rolle für unsere Intelligenz spielten. Die verbale Sprache ist lediglich ein Werkzeug für soziale Kommunikation, hat Regeln und verändert sich nur langsam. Das Leben aber ist oft zu komplex und unberechenbar für Sprache.
Körpersprache schaltet jedoch die verbale Sprache nicht aus. Die verbale Sprache ist ein Teil unserer Kommunikation, ein Teil unserer Mitteilung und ermöglicht uns eine reibungslose Verständigung. Sie versetzt den Menschen in die Lage, komplexe Informationen zu vermitteln. Diese reibungslose Kommunikation übertraf und übertrifft Körpersprache in dieser Hinsicht um ein Vielfaches, wenn es die Übermittlung von differenzierten Informationen und Mitteilungen geht. Doch eine Sprache zu sprechen und bestimmten Inhalten Ausdruck zu verleihen und Ihre Gedanken und Gefühle in Sprache zu fassen, ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Sie wirklich bewegt. Dazu kommt noch die mangelnde Präzision der Formulierungen, weil oft der Versuch dahintersteckt, alles rational erklären zu wollen, was in einem vorgeht. Deswegen sind viele Ausdrücke nur unzureichende Behelfsworte für das, das man ausdrücken wollte. Und selbst wenn man einigermaßen präzise formulieren kann, kann unser Gegenüber begriffsstutzig sein. Wir wissen also nicht, was bei den anderen ankommt. Um den Schauspieler Christopher Walken zu zitieren: »Ich habe da eine Theorie über Worte. Ein simpler Satz wie ›gibst Du mir mal das Salz?‹ kann tausend Dinge bedeuten. Klar, er kann bedeuten, dass jemand den Salzstreuer haben will, aber genauso gut kann er ›Ich liebe Dich‹ heißen oder ›ich kann Dich absolut nicht mehr ertragen‹, alles Mögliche eben. Wörter sind kleine Bomben und haben Sprengkraft.« Anderseits: Worte lassen sich viel einfacher kontrollieren als Gesichtszüge. Worte zu verfälschen ist einfacher, als Gesichtszüge zu manipulieren, weil Worte leichter einzustudieren sind als die Körperbewegung von Gesichtsmuskeln beispielsweise. Kommunikation, in unserem Sinne, bedeutet also den Austausch und das Senden und Empfangen von Informationen und ist durch verschiedene Funktionen definiert, die in einigen Modellen beschrieben sind.