Warum wir verlernen, zu kommunizieren Teil 1: Globalisierung

Verkaufen ist heute die neue Herausforderung des digitalen Zeitalters. In analogen Unternehmen ist Verkaufen offenbar zu einem Manko geworden. Durch den fehlenden Verkaufsabschluss machen sich schnell Enttäuschung und Resignation breit. Das trifft zunächst Moral und Provision des Verkäufers, langfristig aber Substanz und Liquidität des Unternehmens. Wir erleben im Moment zwei gigantische Revolutionen. Das eine ist die Nachhaltigkeitsrevolution und das andere ist die digitale Revolution. Das kann man nur vergleichen mit der ersten industriellen Revolution, als die Macht von Adel, Klerus und Bauernstand zu Ende ging und das Zeitalter des Bürgertums begann. Mit all dem, was dazu gehört hat: Verstädterung, Fabriken und Lumpenproletariat, aber auch Rechtsstaatlichkeit, parlamentarische Demokratie und Gewaltenteilung und so weiter. Da wir in einer ähnlichen Umbruchsituation sind, die erstmal mit einer großen Orientierungskrise beginnt, weil wir noch nicht richtig wissen, wie wir die Gesellschaft in den nächsten 10 oder 20 Jahren verändern müssen, um sie in diesen neuen Herausforderungen anzupassen, ist es völlig natürlich, dass findige Verkäufer eine größere Rolle spielen als in Zeiten, in denen Business as usual gilt.

Einer der Standardsätze im Verkauf ist heute, dass wir gegenwärtig keinen linearen Verkaufsprozess mehr haben, sondern eine sehr komplexe Konsumreise für den Kunden. Die haben nämlich keine schnöde Bestellung zusammengestellt und aufgegeben, um ein Produkt zu kaufen, sondern sie erwarten mehr. Der Kunde ist so kompliziert und selbstbewusst wie nie, und dem müssen Sie als Verkäufer Rechnung tragen. Nötig ist ein sehr komplexer Prozess bei der Einschätzung der Kunden, mit all den verschiedenen Herausforderungen und Zielen, aufgrund dessen die Kunden letztlich eine Kaufentscheidung treffen. 

Kaum eine Berufsgruppe ist so sehr am Wandel gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Strukturen beteiligt wie die der Verkäufer. Sie sind an der Front. Wenn Sie in Zeiten der Online-Anbieter-Flut, in Zeiten von Konsumenten, die sich vorab in allen möglichen Plattformen wie Foren, Blogs, Benutzergruppen, Tutorials, in Test-Plattformen, Bewertungs- und Vergleichsportalen, Wikis – die Liste ließe sich endlos verlängern – grundlegend informieren, langfristig gut und erfolgreich verkaufen wollen, dann genügt es nicht mehr, dass sich Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung in seinen Eigenschaften, im Preis und dem Service von Ihren Wettbewerbern unterscheidet. Kunden sind kritischer geworden und reagieren auf die klassische Kommunikation immer weniger, stempeln sie gar als platte Werbung ab. Der Kunde will heute nicht mehr nur reiner Empfänger und Konsument sein. Er lässt sich längst nicht mehr bloß durch Werbebotschaften überzeugen, sondern erwartet relevante Lösungen mit Mehrwert. Idealerweise führt sein Weg ihn also dorthin, wo er genau die Lösungen findet, die ihm bei seiner Entscheidung weiterhelfen.

Auch wenn es sich um Premium-Produkte handelt, werden diese immer ähnlicher und zugleich die Märkte dank des Internets immer transparenter. Sie müssen sich heute als Top-Verkäufer mehr anstrengen, als es noch vor 15 Jahren der Fall war. Wenn alle Produkte prinzipiell überall zu haben sind, müssen Sie als Verkäufer so performen, dass das Produkt trotzdem bei ihnen gekauft wird – auch wenn es vielleicht teurer ist.

Ein Verkäufer im hochpreisigen Segment sieht sich heute viel komplexeren Anforderungen ausgesetzt und ist entsprechend gefordert. Der Kunde hat hier besonders hohe Erwartungen, so dass der Verkäufer hier mehr Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden aufbringen muss. Das erfordert besondere Verkaufstechniken und die Bereitschaft, dem Kunden genau zuzuhören. Fehler werden hier nicht verziehen, weder beim Produkt noch bei der Beratung, im Gegensatz zum Multistore auf der grünen Wiese. Dort ist die Erwartungshaltung der Kunden geringer und Mängel haben nicht so einen signifikanten Einfluss auf den Unternehmenserfolg wie beispielsweise im High-End-Sektor. Gerade im Bereich der teuren Produkte liegen Sieg und Niederlage sehr eng beieinander. Wenige Kunden mit hoher Liquidität entscheiden darüber, ob Sie erfolgreich sind oder nicht. Anders als im Niedrigpreissegment, wo nach wie vor die höhere Kundenfrequenz niedrigere Produktpreise kompensiert, muss im Hochpreissegment bei ausbleibendem Erfolg eine Reflexion über angepasste oder veränderte Verkaufstechniken erfolgen. Die Schere zwischen billig und Premium geht also immer weiter auseinander, alles, was dazwischen liegt, hat mit Preis und Qualität zu kämpfen und ist damit nämlich fast automatisch in der Todeszone der hohen Preiselastizität angekommen und sucht nach Strategien, trotzdem zu überleben. Und die Rettung in diesem Zwischenraum liegt meine Erfahrung nach nie in ständigen Preisnachlässen. Wenn Ihr stärkstes Argument für die Kaufentscheidung des Kunden der Preis ist, dann haben Sie ein Problem und konkurrieren freiwillig und ohne Not mit dem Sonderangebot um die Ecke. Denn wenn Sie aus Ihrer Bedarfsanalyse keine bessere Nutzenargumentation hervorzaubern und nicht konsequent bei Ihrer Preisgrenze bleiben, dann dürfen Sie sich auch nicht als guten Verkäufer betrachten – und nur die werden heute und in Zukunft noch gebraucht.

Eine hohe Qualität, ein angemessener Preis und vor allem eine intensive Kommunikation werden heute vom Markt vorausgesetzt. Sie stellen den vom Kunden erwünschten Zusatznutzen dar und sind entscheidend für das Wachstum des Unternehmens. Produkte lassen sich nicht von selbst verkaufen. Wenn jemand vor zwanzig Jahren Überlegungen angestellt hat, ob er besser eine Uhr der Marke X oder doch lieber ein anderes Modell der Marke Y kaufen soll, gab es nicht viele Möglichkeiten, sich Informationen zu verschaffen und entsprechend hatte der Verkäufer mehr Kontrolle über den Informationsfluss und den Preis. Früher empfahlen den noch die Hersteller, dann der Handel und nun hat sich das Ganze zu Gunsten des Kunden demokratisiert. Gut informierte Kunden sind das Beste, was einem Verkäufer passieren kann. Warum? Weil er seine kostbare Zeit nicht mehr damit verschwenden muss, seine Kunden zu belehren, sondern diese Zeit gewinnbringend einsetzen kann, um eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Damit kann man sich stärker auf neue Angebote im Umfeld der Kunden konzentrieren und ist nicht auf die Besonderheit der Produkte und der Vertragsbedingungen fixiert, sondern darauf, eine tiefere Verbundenheit herstellen und uns für die Herausforderung zu qualifizieren, einen loyalen Kunden langfristig zu binden.

Dennoch stellt sich die entscheidende Frage: Brauchen wir in Zeiten des Online-Handels eigentlich noch Verkäufer? Ganz bestimmt, denn Menschen lieben noch immer das Kauferlebnis an sich. Sehen wir von Gütern des täglichen Bedarfs ab, bedeutet Kaufen nämlich immer eine Entscheidung zu treffen, die die Persönlichkeit des Kunden widerspiegelt.

In den letzten Jahren habe ich mich mit vielen Verkaufsprofis unterhalten, die Angst davor haben, durch das Internet arbeitslos zu werden, ähnlich wie die industrielle Revolution viele kleiner Handwerker freisetzte. Wenn man sich die Oxford-Studie über die Zukunft der Arbeit anguckt, dann werden diese Ängste bei einer oberflächlichen Betrachtung auch bestätigt. Die Befragten fürchten, dass Kunden, die ihre Produkte online bestellen können, keine Verkäufer mehr brauchen. Sie fürchten, dass Kunden ihnen sogar überlegen sein könnten, weil sie mehr über die Produkte und Dienstleistungen und neusten Produktankündigungen der Wettbewerber wissen könnten als sie selbst. Anders ausgedrückt: Sie fürchten, überflüssig zu werden. Dazu kommt, dass das Verhalten der Kunden im Auftrag ihres Arbeitgebers in Algorithmen erfasst wird, was uns nicht nur erzählt, was wir getan haben und wer wir sind, sondern auch was wir als Nächstes tun werden. Um die eigentliche Frage zu beantworten: Ich glaube, es ist genau umgekehrt. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Internet nicht das Ende des Verkäuferberufes bedeutet und Verkäufer auch in Zukunft gebraucht werden. Selbstverständlich sage ich das nicht nur als Vertriebler. Es wird so sein, dass wir mehr Verkäufer brauchen als je zuvor – und zwar mehr Verkäufer, die sich anpassen und bereit sind, alte Zöpfe abzuschneiden. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Wer nach der alten Methode verkauft, wer alles so macht wie früher, den wird es bald nicht mehr geben. Übrig bleiben werden auf längere Sicht nur die empathischen Verkäufer. Die mit den richtigen Fähigkeiten, die mit der richtigen Strategie und der richtigen Methode. 

Im Geschäftsleben hat sich der Wettbewerb der Globalisierung unterworfen und ist damit zwangsläufig intensiviert worden. Man muss heute im Verkauf viel mehr Dinge im Auge behalten, als es früher der Fall war. Gefordert sind heute also überdurchschnittliche Fähigkeiten sowie ein immenses Wissen, den Anforderungen zu genügen. Dazu kommt noch: Wir befinden uns nicht nur im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung, sondern auch in Zeitalter von Integration und Immigration. Unsere soziale Umwelt hat sich dramatisch verändert. Die Gesellschaft, in der wir leben, ist geprägt von Individualisten und noch nie haben so viele unterschiedliche Menschen gleichzeitig existiert. Diese Individualisten sind unsere Kunden, und es sind viele. Das ist ein großartiges Potential, dass es gilt abzuschöpfen. Aber verfügen wir auch über die Tools, unsere Kunden anzusprechen?